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Das Social Service Engineering stellt einen neuen Ansatz der interdisziplinären Betrachtung und Gestaltung von Interaktionsarbeit dar. Im Sinne der nachhaltigen Gestaltung von Arbeit an und mit Menschen werden hierbei die Perspektiven von Arbeitswissenschaften und Dienstleistungswissenschaften systematisch miteinander verknüpft. Insbesondere mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche soll Social Service Engineering, unter anderem über die Einbindung digitaler Lösungen, dabei unterstützen, die Bedarfe aller Akteure bestmöglich in Einklang zu bringen. Zentrales Anliegen von Social Service Engineering ist es, in diesem Prozess der Arbeits- und Dienstleistungsgestaltung, den Kern der Interaktionsarbeit (nämlich den Austausch zwischen Menschen) stets im Fokus zu behalten.
Übergeordnetes Ziel des Social Service Engineering ist es, Interaktionsarbeit sowohl menschengerecht als auch wirtschaftlich zu gestalten. Nachhaltiger Unternehmenserfolg ist nur durch eine gesundheits-, lern- und persönlichkeitsförderliche Arbeitsgestaltung möglich, die zugleich an eine wirtschaftliche Unternehmensführung unter Berücksichtigung der Wünsche von Dienstleistungsempfänger:innen und Dienstleistungsnehmer:innen gekoppelt ist. Daraus leiten sich eine Reihe von Prinzipien, welche für die Gestaltung menschengerechter und effizienter Interaktionsarbeit ab, welche gleichwertig zu behandeln sind und gleichzeitig eingehalten werden sollen.
Diese sind durch die Organisation bzw. das Unternehmen gestaltbar und beeinflussen Dienstleistungsgeber:innen (Arbeitsbedingungen) als auch die Erlebniswelt der DL-Empfänger:innen (Dienstleistungsqualität).
Wechselwirkungen zwischen guten Arbeitsbedingungen für Dienstleistungsgeber:innen und einer hohen Dienstleistungsqualität für die Dienstleistungsempfängerinnen und -nehmer:innen beeinflussen die Zufriedenheit auf beiden Seiten und potenzieren damit den Unternehmenserfolg. Aus diesem Grund müssen beide Aspekte bei der Gestaltung der Interaktionsarbeit Berücksichtigung finden. Im Optimalfall entsteht durch die Gestaltung der Interaktionsarbeit eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Die Interaktion zwischen Menschen stellt den eigentlichen Kern und Wert von Interaktionsarbeit dar. Nur die persönliche, zwischenmenschliche Interaktion und Zuwendung gewährleistet, dass Interaktionsarbeit sowohl den Ansprüchen der Dienstleistungsempfänger:innen, Dienstleistungsnehmer:innen und des Unternehmens als auch dem professionellen Selbstanspruch der Dienstleistungsgeber:innen gerecht wird. Für diese Interaktion ist Zeit zu schaffen. Dies kann zum Beispiel erreicht werden, indem die an die Interaktionsarbeit gekoppelten Unterstützungsprozesse, nämlich Organisations-, Koordinations- und Beschaffungsprozesse, erleichtert werden, evtl. durch Digitalisierung. Es muss hierbei abgewogen werden, welche Aspekte der Dienstleistung digitalisiert oder digital unterstützt werden können (z. B. Schichtplanung, reine Informationsbereitstellung) und welche nicht (z. B. lebensberatende Gespräche, Beziehungsgespräche).
Sowohl auf der Seite der Dienstleistungsgeber:innen, als auch auf der Seite der Diestleistungsempfänger:innen und -nehmer:innen sind bei der Gestaltung von Interaktionsarbeit Bedingungen zu berücksichtigen, die das Verhalten und Erleben der Akteur:innen im jeweiligen Dienstleistungskontext beeinflussen. Hierzu gehören u. a. organisatorische Voraussetzungen (z. B. zur Verfügung stehende Zeit, technische Ausstattung), emotional-motivationale Voraussetzungen (z. B. Erwartungen an die Interaktion), kognitive Voraussetzungen (z. B. Qualifikation, Kompetenzen im Umgang mit Technik) und soziale Bedingungen (z. B. soziale Normen).
Service Innovation ist bei Interaktionsarbeit durch die Integration der Akteur:innen in den Innovationsprozess erreichbar. Das Wissen und die Erfahrungen der Dienstleistungsgeber:innen, Dienstleistungempfänger:innen und Dienstleistungsnehmer:innen mit der Interaktion sollten genutzt werden, um herauszufinden, welche Prozesse noch nicht optimal gestaltet sind, und um den Service Innovation Process gemeinsam umzusetzen. Beteiligung dient nicht nur der Nutzung des Expert:innenwissens der von Gestaltungsmaßnahmen Betroffenen, z. B. für die Verbesserung von Arbeitsabläufen oder DL-Prozessen, sondern fördert auch die Wertschätzung der Betroffenen sowie das Überwinden von Widerständen im Veränderungsprozess. Bei der Entwicklung und Einführung von Digitalisierungsmaßnahmen vermeidet das frühzeitige Einbinden späterer Nutzer:innen mögliche Fehlentwicklungen. Zudem werden Möglichkeitsräume enorm vergrößert, wenn das gesamte DL-Netzwerk einbezogen wird. So können etwa externe Stakeholder im Sinne eines kollaborativen Netzwerkes in digital gestützte Kommunikationsprozesse eingebunden werden und sich aktiv am Innovationsprozess beteiligen (Open Space Innovations). Ein systematisches Ideen- und Innovationsmanagement ist aufgrund dieser Komplexität zu empfehlen.
Klar umschriebene Ziele unterstützen den Gestaltungsprozess, indem sie die Priorisierung und Auswahl von Gestaltungsmaßnahmen erleichtern (Bewertungs- und Selektionsfunktion), die Koordination von betrieblichen Akteur:innen auf gemeinsame Ziele hin fördern (Motivationsfunktion) und die Überprüfung von Zwischenergebnissen in Bezug auf die angestrebten Haupt- und Unterziele ermöglichen (Steuerungsfunktion). Die Ziele sollten im Hinblick auf strategische Unternehmensziele und untereinander stimmig sein, damit sie sich im besten Fall gegenseitig fördern und die Maßnahmen einander nicht entgegenlaufen.
Gestaltungsmaßnahmen können prinzipiell an zwei Stellen ansetzen: Bedingungsbezogene Maßnahmen zielen auf eine Verbesserung der Bedingungen der Dienstleistung (z. B. Optimierung von Arbeitsabläufen, Verbesserung der Nutzungsfreundlichkeit eines Software-Produkts). Personenbezogene Maßnahmen bezwecken einen verbesserten Umgang mit den gegebenen Bedingungen (z. B. Erlernen des Umgangs mit Zeitknappheit, Schulung zur Nutzung einer Software). Werden in Organisationen Gestaltungsbedarfe erkannt, soll bei der Auswahl von Gestaltungsmaßnahmen die Grundregel „bedingungsbezogene Maßnahmen vor personenbezogenen Maßnahmen“ beachtet werden (vgl. auch § 4 Satz 2 und 5 ArbSchG, vgl. TOP-Prinzip). Erst, wenn technische oder organisatorische Maßnahmen ausgeschöpft oder nicht geeignet sind, das Problem zu beheben, sollen personenbezogene Maßnahmen eingesetzt werden.
Eine vertrauensbasierte Kollaboration, in der alle Beteiligten konstruktiv mitwirken können, bildet die Grundlage der Gestaltung von Interaktionsarbeit. Diese spiegelt sich in transparenten Gestaltungsprozessen und horizontalen Aushandlungsprozessen wider, in denen sich alle Beteiligten gleichberechtigt einbringen können und möchten. Dies setzt auch neue Führungsansätze voraus, in denen hierarchische Kontrolle und Top-down-Ansätze höchstens minimal eingesetzt werden sollten.
Das Service Mindset spiegelt die Grundhaltung eines DL-Unternehmens im Hinblick auf die Dienstleistungserbringung wider und schafft eine gemeinsame Basis für gelungene Interaktionsarbeit. Das Service Mindset setzt eine Art Codex mit welchem den Stakeholdern des Wertschöpfungsnetzwerkes gegenübergetreten wird und schafft Handlungssicherheit in Alltags- und Krisensituationen. Dabei geht es sowohl um die Ziele, die mit der Erbringung der DL angestrebt werden als auch um die Art und Weise, wie diese Ziele erreicht werden. Neben Wertvorstellungen ist deshalb auch die Rolle der Akteur:innen im Wertschöpfungsprozess Gegenstand des Service Mindsets. Das Service Mindset sollte partizipativ mit den Beschäftigten des Dienstleistungsunternehmens entwickelt werden. Dies stellt sicher, dass das Mindset von den Dienstleistungsgeber:innen mitgetragen und bei der täglichen Arbeit umgesetzt werden kann. Zudem wird durch die partizipative Entwicklung für die Beschäftigten leichter nachvollziehbar, warum bestimmte Tätigkeiten in einer bestimmten Weise ausgeführt und bestimmte Methoden angewandt werden.